Dienstag, 24. Januar 2017

Im Untergrund

Freier Platz am Wagenende in Fahrtrichtung. Ein Mädchen vor mir ist schneller, ich bleibe an der Tür. Warum setzt die sich jetzt nicht hin? Da sitzt doch keiner. Ich bleibe trotzdem an der Tür stehen, keine Lust, mich durchzuquetschen. Die blonde Frau, die neben dem leeren Platz sitzt, hat Zettel in der Hand und verschiebt den oberen nach unten und so weiter. Ein Mann mit Rucksack und Gardinenstange steigt ein, geht zielstrebig auf den freien Platz zu, löst dabei schon einmal einen Rucksackriemen von der Schulter. Die Blonde hebt ihren Kopf nicht, dreht aber geziert ihre Handflächen nach außen und macht eine abweisende Bewegung. Der mit dem Rucksack bleibt stehen und lehnt sich an die Tür zum nächsten Wagen. Ein weiterer Typ guckt auf den Sitz und stellt sich neben den Rucksack-Mann. Wieso setzt sich keiner? Warum meckert keiner? Was ist los? Hat die Blonde da ihre Tasche geparkt, eine Katze oder einen Hund?
Wegen so einem Gedöns darf da keiner sitzen? Das lassen die sich gefallen?
Station Mehringplatz. Ich tue mal so, als ob ich prophylaktisch die Tür frei mache und wechsele die Seiten. Kann immer noch nicht sehen, warum die keinen neben sich sitzen lässt, mittlerweile wollten schon acht Leute das tuen, alle hat sie davon abgehalten.
Sie steht auf. Etwas klapprig auf den Beinen. Müde sieht sie aus und schlecht gelaunt. Sie steckt die Zettel in ihre Manteltasche. Wieso brauchte die Platz für zwei? Ich gucke sie böse an. Sie geht zur Tür, nur kurz streift mich ihr Blick, den ich nicht deuten kann, dann steigt sie aus.
Der Typ mit dem Rucksack glotzt mich an und grinst. Was grinst der denn so blöde?
Ich verziehe keine Miene. Er macht keine Anstalten, sich zu setzen. Also setze ich mich auf den Platz der Blonden. Neben mir in der Kuhle des Hartschalensitzes schwimmt ein Tempo in einer gelblichen Pfütze. Ein Typ, der gerade eingestiegen ist, will sich hinsetzen, ich mache eine abwehrende Handbewegung.

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